Kallus Erfindung.

"Kallus Erfindung" ist Frieder Schockmanns Debüt, mit dem er den Olymp der Literaten zaghaft mit kleiner Zehenspitze zu betreten wagt. Erzählt wird, wie ein einfacher ostdeutscher Arbeitsmann, jetzt Bürgergeldempfänger, den Musiklärm seiner unfreundlichen Nachbarn mithilfe einer technischen Erfindung überwand, stoppte, abstellte, Ruhe Einkehr halten ließ. In der zweiten Hälfte des Mittelteils werden zudem weitere technische Möglichkeiten benannt, die ziemlich oder überhaupt unbekannt sein dürften. So kann dieses Büchlein hier hilfreich sein nicht nur für Lärmgeplagte, sondern darüber hinaus kann es wertvoll sein auch für Erfindernaturen, technische Weltverbesserer, geschäftstüchtige Patentanmelder. Die Novelle ist biografischer Art, erzählt wird die Kurzgeschichte des zwar gottlosen, doch harmlosen und gutmütigen Lärmopfers, aus der theistischen Scharfsicht des Verfassers. Es geht also nicht nur um eine technische Finesse, sondern um psychologische, soziale, darüber hinaus aber geistliche Gesamtzusammenhänge. Das Buch ist stark historisch, aber auch humoristisch durchwirkt, was hochgradig auch deshalb nötig ist, weil gewisse zeitgeschichtliche Fragen gestreift werden, die nicht unbedingt einfach mehr zu schildern sind in einer Periode aufwallender Zensurbemühungen unterschiedlichster Akteure. Wer biografisch ehrlich sein will braucht zunehmend Verklausulierungen, und werden diese humoristisch überformt, so entsteht ein gewisser Ausgleich, nämlich eine gewisse Leichtigkeit (Harmonie wäre das falsche Wort an dieser Stelle). Schockmann hat ein Erzähltalent, das er in den Dienst einer guten Sache stellt, nämlich Lärm zu mindern in der Welt, und weit darüber hinaus mäeutisch in den Dienst des Besten überhaupt. Deshalb dieses Buch. Die Zeit der Leser soll nicht verschwendet sein ist Schockmanns Fokus, das Problematische soll gelöst, das Konstruktive soll gestärkt, das Gute an sich zu Bewusstsein gebracht werden. Womit der Mensch schwanger geht, das gebiert er. Befruchtend wirken soll diese, wie es vordergründig scheinen könnte, kleine literarische Leistung. Und wird im Olymp die Nase gerümpft, dann stört das nicht weiter, da Schockmanns Devise eine andere ist: Ehre, wem Ehre gebührt, aber vom Quellgrund alles Ehrenswerten.

Frieder Schockmann ist ein eher zurückhaltender Zeitgenosse, der sich so seine Gedanken macht. Zückt er die Schreibfeder, dann hat es das in sich. So mag sein Debüt "Kallus Erfindung" auf Leser leichtgewichtiger Erbauungsliteratur wie eine Unverfrorenheit wirken mit den langen und tiefgreifenden Sätzen, doch die Lektüre lohnt, das Charakterbild eines ostdeutschen Arbeiters, nunmehr Bürgergeldempfängers im größeren geschichtlichen Horizont und der Sinnfragestellung darüber hinaus. Frieder Schockmanns Denken in kleinen und großen Kreisen hat einen zuverlässigen (nämlich zielführenden) Fixpunkt, wobei eine gewisse Spannung entsteht durch einen Humor, der über weite Strecken eingeflochten ist, wenn auch oft nicht auf Anhieb erkennbar (ähnlich dem britischen Humor). Humoristisch problemfixiert ist Schockmann lösungsorientiert. Er hat das Auge am rechten Fleck, schildert die Eindrücke von einer Seitenlinie aus, unzeitgemäß, aus dem Abseits geradezu, ein Affront für Liebhaber des Seichten (stellenweise könnte gar Zensur drohen, denn alle Gesellschaften hatten und haben ihre je und je eigenen Tabus, an die gerade biografische Themenstellungen leicht stoßen können, wenn sie ehrlich sind). Auf schmalem Grad versucht Schockmann diese gegenwartshistorische Wanderung zu meistern, sein Nachname ist kein Programm (eher schon sein Vorname): er provoziert nicht, sondern schildert einfach und löst die Problemlage dann auf (oder, wo das gesellschaftlich oft nicht geht, bleibt das Problem im Raum stehen, geschärft an Kontur, selten hart). Und die besondere Stärke: alles wird eingeordnet in den größeren Zusammenhang eben nicht nur des Historischen, sondern des Transzendenten, des eigentlich entscheidenden Zusammenhangs also für den sich seines Menschseins bewussten Menschen. Das ist das Schockmann'sche Verfahren: Problemlösungen sollen geboten werden und Hilfen sollen geleistet werden darüber hinaus auf dem Wege der Bewusstwerdung, und, letztendlich - bemerkenswert wie unzeitgemäß: Schockmann möchte Sinn stiften.